Freitag, 10. Januar 2020

Freiburg 2020: 900 Jahre Leben in der Stadt

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Dieses Jahr feiert Freiburg seinen 900. Geburtstag. Das ganze Jahr über wird es diverse Veranstaltungen geben, die dieses Ereignis gebührend feiern.
Wir haben das Geburtstagsjahr damit begonnen, uns die Sonderausstellung "Freiburg Archäologie: 900 Jahre Leben in der Stadt" im Augustinermuseum anzusehen. Die Ausstellung ist noch bis zum 4. Oktober 2020 (Dienstag - Sonntag von 10 - 17 Uhr) zu besichtigen.
Das Augustinermuseum befindet sich in der Freiburger Salzstraße und ist bequem mit der Linie 1 (Haltestelle Oberlinden, direkt vor dem Museum) oder ab dem Bertoldsbrunnen (Linien 1, 2, 3 und 4) in 5 Minuten zu Fuß erreichbar.
Augustinermuseum
Ein Besuch des ganzen Museums lohnt sich (Eintritt 7 EUR). Die Eintrittskarte vom Augustinermuseum gilt dazu noch als Tageskarte für alle anderen städtischen Museen!

Man kann aber auch nur die Dauerausstellung besuchen (5 EUR). Leider ist gerade die Bilderausstellung im Dachgeschoss gesperrt, weil dort (mal wieder) Bauarbeiten stattfinden. Mein Lieblingsort im Augustinermuseum ist die Skulpturenhalle, in der die Sandsteinfiguren des Freibuger Münsters ausgestellt werden. Die sind riesig!

Aber wir waren ja Hauptsächlich wegen der Sonderausstellung gekommen. Im Museum selbst sind wir schon 3-4 Mal gewesen. Wir wollten extra unter der Woche gehen, weil wir dachten, da sei nicht so viel los. Allerdings hatten wir nicht mit den zwei französischen Schulklassen gerechnet. Der Geräuschpegel war mörderisch!
Die Sonderausstellung befindet sich unten im Keller und ist echt toll und liebevoll gestaltet und aufgebaut. Man bekommt einen schönen Eindruck von Freiburg zu Zeiten von Anno dazumal. Die Ergebnisse der städtearchäologischen Forschung in Freiburg werden in dieser Ausstellung zum ersten Mal umfassend dargestellt.
Den Mittelpunkt der Ausstellung bilden ausgewählte Bodenfunde von der Gründung der Stadt 1091 bis in die Neuzeit. Über die Jahrhunderte durchlief Freiburg mehrere Entwicklungsschritte und einen stetigen Wandel. Freiburg zählt heute zu einer der am stärksten wachsenden Städte.


Die ganzen Gegenstände zu sehen, die hier in der Stadt bei diversen Grabungen und Bauarbeiten gefunden wurden, hat mich total fasziniert. Daher fiel mein Blick immer auch auf den Fundort. Oft Orte, an denen wir heute noch regelmäßig lang laufen.

Es gab Funde zu sehen, die aus der Zeit der Stadtgründung vor fast 1.000 Jahren stammten und die immer noch aussahen, als wären sie noch gar nicht so alt. Fasziniert hat mich etwas die schon damals vorhandene Wegwerfgesellschaft. Zumindst stand auf der Tafel zu den Lämpchen für den Brautzug von Marie Antoinette, dass die leuchtenden Schälchen nur für den einen Tag, am 4. Mai 1770, die festlich geschmückte Stadt erhellten und danach einfach entsorgt wurden. Das scheint also kein "neues" Problem der Gesellschaft zu sein ;-)


Einige Funde aus der Bombennacht, am 27. November 1944, als britische Bomber die Stadt in Schutt und Asche legten, ließen ein komisches Gefühl entstehen. Die "Momentaufnahme" wurde dort gefunden, wo wir erst vor ein paar Wochen über den Weihnachtsmarkt schlenderten. Und die total verkohlte Schreibmaschine aus der Sparkasse - wo wir nur Minuten vor dem Museumsbesuch noch Geld geholt hatten.


Die angeschmolzenen Fläschchen aus der Löwen Apotheke (LA - wie die Abkürzung von Los Angeles), einem der wichtigesten "Treffpunkte" in der Stadtmitte.


Diesen Ausblick haben wir selbst schon oft live genossen ;-)
Aber auch der Glaube kommt in der Ausstellung gut rüber, ist er doch auch Teil der Stadtgeschichte. Immerhin hat Freiburg ja das Münster, das formell sogar eine Kathedrale ist. Angefangen hat alles mit dem ersten monumentalen Bau der Stadt - der Pfarrkirche, die heute das Münster ist.

Interessant ist, dass die umfangreichsten Erkenntnisse des Alltagslebens in den Klöstern gewonnen wurden, nachdem man eine enorm große Latrine des Augustinereremitenklosters (in dem heute das Augustinermuseum ist!) ausgraben konnte :-D Mein Kopfkino begann und ich sah spätere Generationen in unseren Hinterlassenschaften wühlen. Archäologie ist ein dreckiges Geschäft :-D




ein hölzerner Bucheinband
Der nächste Aspekt der Ausstellung befasst sich mit der Arbeit in der Stadt. Landwirtschaft, Handel und Handwerk prägten das mittelalterliche Freiburg. Die Leder- und Textilverarbeitung die zum Gerben und Färben auf ausreichend Brauchwasser angewiesen war, ist bis heute namentlich in der Gerberau erhalten.





Besonders lange angesehen habe ich mir die 3D Darstellungen des historischen Freiburgs, die möglichst originalgetreu das Aussehen der Stadt im Mittelalter darstellen sollten und fast wie Fotografien daher kamen.
In einigen Ecken der Ausstellung gab es "Mitmach-Stationen" für Groß und Klein. Man konnte, wie ein Steinmetz damals ein Bogenfenster zusammensetzen, Kettenhemden anprobieren, einen Holzbecher von Anno Tobak mal in die Hand nehmen oder seine eigene mittelalterliche Stadt aufbauen.

die sehen fast so aus wie mein Lieblingsküchenmesser :-D

Gegründet wurde Freiburg um 1091, als Bertold II. entschied, unterhalb seiner Burg eine neue Siedlung zu errichten. Die Nähe zu Silberlagerstätten und das fruchtbare Umland machten Freiburg als künftigen Marktplatz zwar attacktiv, aber die Wasserversorgung stellte die Leute vor große Probleme, da das Grundwasser hier in (damals) unerreichbaren Tiefen lag. Ausgebrabene Straßenzüge und Hausfundamente erzählen von der ausgeklügelten Wegplanung und Grundstücksverteilung nach der Verleihung der Stadtrechte im Jahre 1120.


Der Brunnen steht heute auf dem Münsterplatz
Heute sind die Freiburger Bächle ein Wahrzeichen der Stadt. Gebaut wurden sie um 1200, weil das Grundwasser in 16 m Tiefe unerreichbar war und die Menschen dennoch mit Brauchwasser versorgt werden mussten. Am System von damals hat sich bis heute nichts geändert, was ich sehr spannend finde. Allerdings musste die Stadt teilweise bis zu drei Meter aufgeschüttet werden, damit das Bächlewasser überall gut fließen konnte.

Das Trinkwasser hingegen kam durch hölzerne Leitungen von Quellen in Hanglage, um Verunreinigungen zu vermeiden.
Rund um das Freiburger Münster war im Mittelalter noch der Hauptfriedhof der Stadt. Dort wo heute der Münstermarkt abgehalten wird. Anhand von Untersuchungen an den sterblichen Überresten konnten sich nicht nur einzelne Biographien sondern in manchen Fällen sogar die Geschichte der verstorbenen Menschen rekonstruieren lassen. Heraus kam unter andrem, dass man durchschnittlich 40 Jahre alt wurde im Mittelalter - wenn man es schaffte, das Erwachsenenalter zu erreichen. Hätte ich damals gelebt, würde ich jetzt schon zum "alten Eisen" zählen. Irgendwie erschreckend!
Außerdem wäre ich zu damaliger Zeit schon fast eine "Riesin" gewesen, denn ich bin heute so groß, wie ein großer Mann damals :-D Ich beschwere mich wohl nie wieder, keine Schuhe mehr in meiner Größe zu bekommen.


Bei einem ausgestellten Holzkamm hat mich besonders beeindruckt, wie gleichmäßig und fein die einzelnen Zähne herausgearbeitet waren - und das ohne Maschinen. Welch handwerkliches Geschick muss hier am Werke gewesen sein? Der würde mir auch jetzt noch sehr gefallen :-)
Die Schuhe hingegen entsprechen wohl nicht mehr dem heutigen Trend. Damals haben sie aber sicher ihren Zweck erfüllt.

Mittelalterliche Häuser waren oft nur spärlich möbliert. Von hölzernen Stühlen, Tischen, Schränken und Truhen sind meist nur wenige Reste erhalten - wenn überhaupt. Lediglich die fest verbauten Einrichtungsgegenstände können archäologisch rekonstruiert werden.
Besonders die Wohnstuben der Häuser, im ersten Stock, waren meist repräsentativ ausgestattet. Sie waren der einzige beheizte Raum im Haus. Außerdem war das stille Örtchen fester Bestandteil eines jeden Hauses.

Interessant war auch das Rezept eines Fleischeintopfs aus dem 14. Jahrhundert. Gar nicht so viel anders als das, was wir heute noch essen.



Diverses Kinderspielzeug von damals wurde ebenfalls gezeigt. Obwohl die Kinder im Mittelalter ja noch nicht das hatten, was wir heute unter Kindheit verstehen.


Damals hieß es Himmel und Hölle oder Tric Trac und heute kennen wir es als Backgammon
Archäologische Spuren wurden bereits im 18. Jahrhundert bei Bauarbeiten im Freiburger Stadtgebiet erkannt und dokumentiert. Die Ausgrabung der Latrine des Augustinereremitenklosters im Jahre 1983 gilt allerdings als Initialzündung für die morderne Stadtarchäologie in Freiburg. Seither werden alle Bauarbeiten von Archäologen und Bauforschern begleitet.
Eine Bilderreihe zeigt die Bauentwicklung an der Salzstraße - von einfachen Wohnhäusern, deren Erdgeschosse nach der Aufschüttung zu Kellerräumen wurden, bis hin zum Augustinerkloster, in dem wir nun standen, und die Ausstellung bewunderten. Die Kellerfundamente der ursprünglichen Häuser noch immer unter unseren Füßen.

Die Sonderausstellung zu "900 Jahre Leben in der Stadt" war wirklich sehenswert und echt groß. Hier hätte ich mich noch stundenlang aufhalten können - wenn Schatz nicht noch zur Arbeit gemusst hätte. Wir können die Ausstellung echt weiterempfehlen.
Ich habe einen tollen Einblick in die Geschichte dieser Stadt bekommen, in der ich nun schon seit fast 13 Jahren lebe.